Robert Walser-Zentrum

Das Robert Walser-Zentrum ist ein öffentliches Forschungs- und Vermittlungszentrum zu Robert Walser und Carl Seelig. Es verfügt über die Nachlässe der beiden Schriftsteller und bezweckt die Erhaltung, Erschließung, Erforschung, Vermittlung und Erweiterung der Bestände. Dazu unterhält es ein Archiv, eine Bibliothek und eine Ausstellung. Das Zentrum realisiert in eigener Regie und in Zusammenarbeit mit Partnern Forschungsprojekte, Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen wie etwa die neue Kommentierte Berner Ausgabe der Werke Robert Walsers.
Das Robert Walser-Zentrum zeigt in seinen Räumlichkeiten thematisch wechselnde Ausstellungen mit Büchern, Manuskripten und Dokumenten von und zu Robert Walser und seinem Werk.

Foto eines goldenen Glücks-Schweinchens in einer Kartonschachtel.
Robert Walser-Zentrum
Bureau Bollito
Gruppenausstellung mit Virginia Ariu, Peter Fischli, Lisa Hoever, Fabian Marti, Annina Matter, Ivan Mitrovic und Emanuel Rossetti
bis Fr, 20.12.2024

Kunst ist weder Dekoration noch bloße Ware, sie ist ›raison d’être‹, ein Lebensmittel, macht Dampf, bringt uns zum Kochen und destilliert Ideen. »Bureau Bollito« bespielt die Büros des Robert Walser-Zentrums. Für uns, die wir hier arbeiten, ist die Beziehung zwischen Literatur, bildender Kunst und Administration zentral. Um das Spannungsverhältnis zwischen ›freier‹ Kunst und reglementierter Büroarbeit zu exponieren, haben wir bereits Werke u.a. von Robert Frank, Thomas Hirschhorn, Pamela Rosenkranz und Thomas Schütte gezeigt – 2025 folgen Simone Fattal und Lika Nüssli.

 

»Bureau Bollito« unterhält bei Berner Partnern Satelliten-Ausstellungen, die ebenfalls besucht werden können: BEKB, Itten+Brechbühl AG, Schweizerische Post und Teo Jakob AG – dazu laufend aktualisierte Infos unter www.robertwalser.ch.

 

Mit freundlicher Unterstützung von BEKB, Itten+Brechbühl AG, Mobiliar, Pro Scientia et Arte, Ruth & Arthur Scherbarth Stiftung, Schweizerische Post, Stanley Thomas Johnson Stiftung und Teo Jakob AG.

 

Dank an Hässig, Milieu und Kunsthalle Bern.

 

Robert Walser-Zentrum
Carl Seeligs Wanderungen mit Robert Walser
Dauerausstellung

Die letzten 23 Jahre seines Lebens verbrachte Robert Walser in der psychiatrischen Klinik von Herisau, wo ihn der Journalist Carl Seelig regelmäßig besuchte. Über die gemeinsamen Ausflüge ins Umland verfasste Seelig, der auch literarisch tätig war, das Erinnerungsbuch Wanderungen mit Robert Walser. Auch wenn die Authentizität der überlieferten Gespräche umstritten ist, fasziniert das Buch, das in erweiterter Neuausgabe vorliegt, nachhaltig. Durch das verbindende Gehen und Reden wird die Ostschweizer Landschaft zum Schauplatz einer spektakulären Rekapitulation von Robert Walsers Schriftstellerleben. Die Ausstellung, die am 3. September eröffnet, inszeniert diesen suggestiven Erinnerungsraum durch das Relief der durchwanderten Gegend und eine Panoramafotografie des Blicks, der sich heute von der Klinik in Herisau aus bietet.

 

Carl Seelig war nicht nur Journalist und Schriftsteller, sondern auch Mäzen und Förderer zahlreicher Autorinnen und Autoren, insbesondere zur Zeit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Ab 1936 besuchte er den in der Klinik literarisch verstummten und nahezu vergessenen Robert Walser, um mit ihm gemeinsame Ausflüge zu unternehmen. Kreuz und quer durchwandern sie die Ostschweiz, zwischen Bodensee und Säntis, Appenzellerland und Toggenburg. Ausgangs- und Endpunkt ist jeweils die Heil- und Pflegeanstalt Herisau, in der Walser seit 1933 bis zu seinem Tod 1956 lebte.

 

Carl Seeligs 1957 erstmals publiziertes Werk hat Walsers Wirkungsgeschichte stärker geprägt als jedes andere Buch. Es half, den Autor wiederzuentdecken und verlieh ihm das Image eines gutmütigen, ebenso vernünftigen wie querstehenden Königs der Spaziergänger. Zur neuen Ausstellung des Robert Walser-Zentrums erscheint der Klassiker einer literarischen Freundschaft in erweiterter Neuausgabe, die Seeligs Mehrfachrolle als Vertrauter, Vormund und Sprachrohr des Dichters deutlich macht.

 

Auf den vierundvierzig im Buch dokumentierten Wanderungen kommt Robert Walsers ganzes literarisches Leben zu Sprache – die Abenteuer des kauzigen Schweizers im mondänen Berlin ebenso wie die »bitterböse, gefährliche Schlange« der Erfolglosigkeit, die ihn 1913 zurück in die Schweiz führte. Und Seelig demonstriert, welch wacher Zeitgenosse Walser selbst in der Klinik war. Da werden Unterhaltungen über die Lieblingsautoren Heinrich von Kleist, Johann Wolfgang von Goethe und Gottfried Keller geführt, da wird über den »literarischen Cliquenbetrieb« gelästert und der eigene Misserfolg thematisiert. Stets lässt Seelig, der mit Geistesgrößen wie Thomas Mann, Nelly Sachs, Albert Einstein oder Robert Musil in Kontakt stand, dezent eigenes Wissen einfließen.

 

Die bald redselig, bald lakonisch formulierten Gespräche und Reflexionen lesen sich wie eine Autobiografie Robert Walsers – erzählt von einem andern. Mit dem ausladenden Holzrelief, das die Berner Fachhochschule in Biel hergestellt hat, und der raumfüllenden Panoramaaufnahme des Fotografen Dominique Uldry inszeniert die Ausstellung den Erinnerungsraum des Buchs, in welchem man die Wege der beiden Protagonisten suchen, verfolgen und imaginieren kann.